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Residenz-Rückblick: November 2016
Alexander Schubert

SOLID STATE ist eine begehbare audiovisuelle Installation, die sich mit der Erlebniswelt der Rave-Kultur auseinandersetzt, indem sie die innerhalb dieser Szene gängige Substanz-unterstütze Transzendenz herkömmlicher Sinneserfahrungen simuliert. Durch pulsierendes wie stroboskopisches Licht, dichten Nebel und basslastigen Surround-Sound, die als Kernelemente des Raves den Bezug zu ihm herstellen und durch ein spezielles Programm aufeinander abgestimmt werden, wird der Raum in eine als halluzinativen und rauschartigen Zustand wahrnehmbare Umgebung übersetzt. Dabei wirkt der multisensorische Effekt wie ein neuronaler Multiplikator, da das Gehirn um ein vielfaches stärker auf einen zugleich gesehenen, gehörten und gefühlten Reiz reagiert, als auf die jeweils einzeln wirksamen Reize. Durch die stark pointierte Synchronisierung sowie ständige Verschiebung von visuellen und auditiven Reizimpulsen wird die Geometrie des Raums der Wahrnehmung gleichsam entzogen: Durch die durch den Nebel extrem beschränkte Sichtweite, und weil seine Augen sich nicht schnell genug an die ständigen Lichtwechsel gewöhnen, kann der Besucher die Dimensionen des betretenen Raums nicht einschätzen, was in spürbarer Desorientierung und der Notwendigkeit resultiert, einen ungewohnten Kontrollverlust des Bewusstseins zuzulassen. So wird ein Zustand geschaffen, der nicht zu erfassen ist und das Gefühl entsteht, in einen endlosen Raum hineinzufallen. Außerdem erzeugt die sogenannte Nachbildwirkung eine optische Täuschung: Die bis zur Überforderung getakteten Stroboskopblitze rufen Halluzinationen hervor, auf der Netzhaut sich einprägende Strukturen und ornamentale Muster, wie sie auch bestimmten Rauschzuständen eigen sind.

Die Installation wird in zwei aneinander angrenzenden Räumen realisiert, die durch einen offenen Durchgang miteinander verbunden sind. Dieser wird als das einzig Erkennbare innerhalb der Installation gleichsam überbetont: Das Bild der Tür vom einen in den anderen Raum erzählt zum Einen vom triphaften Übergang in eine andere Welt und verweist symbolisch auf die Erfahrung der Grenzüberschreitung. Außerdem reminisziert die Schwelle den ewig ungewissen Übergang ins Jenseits, der vom Diesseits aus ebenso wenig erfassbar ist, wie die Grenzen der Installationsräume.

 

 

Audio-visual installation by Alexander Schubert between a cognitive experiment and a post-rave psychological state

SOLID STATE is a walk-in audio-visual installation, which deals with sensory experience of the rave-culture in simulating its substance-based transcendence of conventional sense perception.
Through the use of pulsating and stroboscopic light, dense fog and bassy surround sound, which as the main components of rave link to it and are connected and synchronized by a special program, the room is transformed into an as a hallucinative and ecstatic state appreciable surrounding. Thereby the multi-sensory effect functions as neuronal multiplier, as the brain reacts many times more intense to co-occurred seen, heard and felt impulses, as to single appearing ones. Utilizing synchronous as well as shifting visual and auditive patterns the geometry of the room is withdrawn from perception: Due to the by fog limited visibility, and because his eyes can not adjust to the constantly changing lights fast enough, the visitor cannot perceive the dimensions of the entered space, resulting in disorientation and the need to let go of conscious control. Thus a state is created, that can not be captured and the feeling arises, to fall in an endless room. Furthermore the afterimage effect causes an optical illusion: The intense strobe light evokes hallucinations, on the retina imposed structures and ornamental patterns, which inhere to some intoxications too.

The installation is realised in two adjacent rooms connected by an open door, which is as the only distinguishable item within the installation quasi overemphasized: On the one hand the image of the door tells about the trip-like transition into another world and refers in a symbolic way to the experience of frontier crossing. Otherwise the threshold reminds of the eternal unknown transition to the afterworld, which from this life is just as little ascertainable as the limitaion of space inside the installation.

Alexander Schubert studierte Bioinformatik und Multimediale Komposition und doktorierte zum Themenfeld sensorgestützte elektroakustische Performance. Als freischaffender Komponist beschäftigt er sich mit der Schnittstelle zwischen akustischer und elektronischer Musik und der Kombination verschiedener neuer musikalischer Stile mit zeitgenössischen klassischen Konzepten. Weitere Schwerpunkte liegen auf dem Einsatz des Körpers und der Übertragung zusätzlicher Information durch Gestik sowie in einer ausgeprägten Multimedialität. Darüber hinaus untersucht Schubert die Grenze zwischen notierter und improvisierter Musik, das Spiel mit der visuellen Wahrnehmung und die Verbindung von Kunst mit kognitiven Experimenten, wobei die Interaktion mit dem Publikum immer weiter in den Vordergrund gerückt ist. SOLID STATE ist hierin der nächste logische Schritt: Es gibt keine Musiker mehr, die spielend im Mittelpunkt stehen, sondern alles dreht sich um den Besucher, in dessen subjektiver Wahrnehmung sich das eigentliche Werk erst vollzieht.

Schubert unterrichtet an der Musikhochschule Lübeck sowie in 2016 an der Folkwang Universität in Essen und kuratierte verschiedene elektronische Musikfestivals. Er ist als Improvisator in verschiedenen Ensembles wie dem „Decoder Ensemble“ tätig, hat zu zahlreichen szenischen Projekten als Musiker, Komponist und Programmierer beigetragen und betreibt das Ahornfelder-Label für experimentelle Audio- und Printveröffentlichungen. Seine Werke wurden in den letzten Jahren mehr als 400 Mal von zahlreichen Ensembles in über 25 Ländern aufgeführt.

Alexander Schubert studied bioinformatics and Multimedia Composition and concerned as Ph. D. student with sensor-based electroacoustic performance. As freelance composer his interest explores cross-genre interfaces between acoustic and electronic music focussing the combination of different new musical styles with contemporary classical concepts. The use of the body and the transportation of additional content through gestures are further key features in his pieces, as well as a high degree of multimedia capability. Beyond that he researches the border between notated and improvised music, the playing on visual perception and the connection of arts and cognitive experiments, in which the interaction with the audience has been focussed more and more. SOLID STATE ist herein the next logical step: There aren't musicians anymore who playing take center stage, but all is about the visitor, in whose subjective perception the proper play is performed.

Furthermore Schubert teaches at the conservatory in Lübeck plus in 2016 at the Folkwang University in Essen and curated several festivals for contemporary electronic music. He ist a founding member of ensembles such as “Decoder“, has contributed to a variety of different projects as a musician, composer and programmer and runs the experimental music label and imprint Ahornfelder. His works have been performed in the last few years more than 400 times by numerous ensembles in over 25 countries.

 

 

Verni- & Finissage am 18. November 2016 ab 19 Uhr

Fleetstreet, Admiralitätstraße 71, www.fleetstreet-hamburg.de

https://www.facebook.com/events/1296788557039791/

Kooperationspartner: Decoder Ensemble

 

SOLID STATE wird gefördert von:

Logi kleiner

Fleetstreet Residency Program Hamburg, Kulturbehörde Hamburg, Rudolf Augstein Stiftung, Hamburgische Kulturstiftung